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vendredi 12 décembre 2014 / Catégories: Langues, Allemand

Von der Imagination zur Interpretation – Entwicklung eines Leseportfolios zu Rafik Schamis „Eine Hand voller Sterne“ für die Unterstufe des technischen Sekundarunterrichts

Michelle Strecker

Der Schwerpunkt des Portfolios liegt auf der Imaginationsbildung. Literarische Texte zeichnen sie sich durch ihre Unbestimmtheit aus. Erst in der Vorstellungswelt des Lesers nehmen sie Gestalt an. Dabei konkretisiert der Leser den Text, indem er vor der Folie der eigenen Erfahrungswelt Vorstellungen entwickelt. Aus gestalttheoretischer Sicht greifen die Wahrnehmungs- und Erfahrungsstrukturen des Lesers steuernd in diesen Prozess ein. Auch der Text selbst lenkt die Fantasie des lesenden Subjekts. Unbestimmtheits- und Leerstellen, so die Rezeptionsästhetik, laden den Rezipienten ein, das Gelesene durch eigene Vorstellungen zu ergänzen. Vorstellungen besetzen folglich innerhalb des Leseprozesses eine Schlüsselposition. Im Rahmen der Buchreise zielen handlungs- und produktionsorientierte Aufgaben darauf ab, den Lernenden die Vorstellungsbildung zu erleichtern. Die Schüler gelangen zunächst zu einer eigenen Repräsentation und in einem weiteren Schritt zu einer persönlichen Interpretation des
Romans. Auf diesem Weg werden zudem das Fremdverstehen und die Lesemotivation der Lernenden gefördert. Mithilfe von kreativen Schreibaufträgen lernen die Schüler darüber hinausgehend, die entwickelten Vorstellungen schriftlich zu artikulieren. Korrekturrunden ermöglichen das Überarbeiten von Texten.
Die Struktur der Aufgaben lehnt sich in weiten Teilen an das Konzept der Kreativen Rezeption nach Mann/ Schröter/ Wangerin an. Das Gruppenverfahren befasst sich mit der Wirkung von Kunstwerken in der Wahrnehmung ihrer Rezipienten. Gestaltende Aufgaben führen zu einer intensiven Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk. Die kreative Tätigkeit erlaubt den Teilnehmern gleichzeitig, ihre Repräsentation des Werks zu symbolisieren, um sie auf diese Weise im vertiefenden Gruppengespräch kommunizierbar zu machen. Die aus der kulturellen Erwachsenenbildung stammende Methodik wird jedoch den Bedürfnissen von Schülern der Unterstufe des technischen Sekundarunterrichts angepasst. Die Kreative Rezeption setzt bei den Leerstellen von Texten an. Das Portfolio geht kleinschrittiger vor. Die Vorstellungsbildung wird zunächst über das Ausgestalten von Unbestimmtheitsstellen aktiviert. Ausgehend von der inneren Inszenierung des Geschehens schreiten die Aufgaben zum Ausfüllen von Leerstellen und zur
Deutung des Romans voran. Auch misst die prozessorientierte Kreative Rezeption Teilnehmerprodukten keinen eigenen Stellenwert zu. Indem das Portfolio zur Kompilation von Schreibprodukten unterschiedlicher Überarbeitungsphasen anregt, schlägt es – mit Blick auf die Förderung von Ausdruck und Sprachrichtigkeit – einen anderen Weg ein. Das Leseprojekt wurde anhand der Schülerprodukte ausgewertet. Den meisten Lernenden gelang das selbstständige Ausgestalten von Unbestimmtheitsstellen. Besonders Aufgaben, die eine Perspektivübernahme verlangten, wurden gerne angenommen. Die Arbeiten wiesen im Hinblick
auf die Schwerpunktsetzung und die sinnliche Qualität der Vorstellungen Unterschiede auf. Das Gruppengespräch erwies sich vor allem im Umgang mit Leerstellen als hilfreich. Zwar gelangten die Lernenden über die gestellten Aufgaben zu einer persönlichen Deutung, ihre Sicht auf den Text blieb jedoch häufig auf einzelne Aspekte beschränkt. Das Zusammenführen der individuellen Deutungen in der Gruppe ermöglichte einen vertiefenden Blick. Probleme ergaben sich im Bereich der Überarbeitung. Da die Schüler die eigenen Vorstellungen „verbesserten“, ergab sich mitunter ein negativer Beigeschmack. Am besten ließe sich das Portfolio wohl im Rahmen einer nicht benoteten wöchentlichen Lesestunde einsetzen.

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