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mercredi 26 janvier 2022 / Catégories: Langues, Allemand

Das Kunstmärchen: ein Spiegel oder Sozialen Wirklichkeit

Sonntag Iris

Diese Abhandlung bietet zunächst einen theoretischen Exkurs im Hinblick auf das Kunstmärchen. Hierbei wird hervorgehoben, dass es sich neben dem formalen und sprachlichen Rahmen, der kunstvoller gestaltet ist als im Volksmärchen, vor allem durch eine Psychologisierung der Figuren, eine Vielfalt der Funktionen des Wunderbaren, ein Vorhandensein von Realitätsbezüge, sowie eine Vielschichtigkeit des Handlungsstranges auszeichnet.

Anschließend werden ausgewählte Texte auf ihren Grad des Realitätsbezuges hin analysiert um überprüfen zu können, ob es sich um eine tatsächliche Widerspiegelung der sozialen Wirklichkeit handelt. E.T.A. Hoffmanns „Goldener Topf“ und Novalis´ Atlantismärchen bieten im Hinblick auf die als negativ empfundenen sozialen Gegebenheiten ein utopisches Gegenmodell, welches sie in einer entfernten Zeit ansiedeln.

In „Die Regentrude“ von Theodor Storm ist die Welt des Wunderbaren laut Dichter auch von großer Bedeutung im Hinblick auf die reale, von Rationalität und Ökonomie geprägte Welt. Hier wird zudem Kritik an dem mit ihr verbundenen Spekulantentum ausgeübt. Letzteres wird auch in Gottfried Kellers Kunstmärchen „Spiegel, das Kätzchen“ thematisiert und als negativ empfunden. Im Gegensatz zu Kellers „Regentrude“ kann sich das Wunderbare jedoch nicht mehr von realen Gegebenheiten befreien, denn es übernimmt negative Eigenschaften der eigentlich kritisierten Gesellschaft.

In Goethes „Märchen“ wiederum werden die gesellschaftlichen Missstände, welche zur Zeit des Dichters vor allem in der Kluft zwischen Adel und Bürgertum bestanden, anhand der Welt des Wunderbaren deutlich gemacht. Diese ist anfangs zerrissen, entwickelt sich jedoch mithilfe eines solidarischen Aktes der Klassen zu einem Ideal.

In Mörikes Kunstmärchen „Das Stuttgarter Hutzelmännlein“ hingegen entspricht die Realität bereits dem Ideal, weshalb sich der Protagonist glücklich schätzt, als er am Schluss seinen Platz in der Gesellschaft findet. Zudem sehnt sich das Wunderbare nach einem Leben in der realen Welt.

Dass eine Auseinandersetzung mit der Realität nicht zwangsläufig aus einer Außenperspektive heraus durchgeführt muss, zeigt Hesses „Iris“. Hier geht es um den Selbstfindungsprozess des Menschen. In Rühmkorfs Märchensammlung „Der Hüter des Misthaufens“ wird wiederum die Außenperspektive eingenommen, indem reale Gegebenheiten auf ironische Art kritisiert werden, was eine Wirkung auf den Rezipienten haben soll.

In Anbetracht der in den behandelten Kunstmärchen ausmachbaren intensiven Auseinandersetzung mit der sozialen Realität und der Deutlichkeit der eingebrachten Bezüge, kann man davon ausgehen, dass diese Gattung tatsächlich eine Widerspieglung der sozialen Wirklichkeit innehat.

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