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mercredi 4 juin 2014 / Catégories: Langues, Allemand

Abgründiges Biedermeier der Bonner Republik

Eric Bruch

Vorliegende Arbeit befragt zwei Romane der 1980er Jahre unter dem Gesichtspunkt einer

übergreifenden Thematik. Gesucht wird nach einer textnahen und stichhaltigen Antwort auf

die Ausgangsfrage, inwiefern Martin Walser mit „Brief an Lord Liszt“ bzw. Heinrich Böll

mit „Frauen vor Flusslandschaft“ zwei Prosawerke vorgelegt haben, in denen das

Abgründige, sprich das zwischenmenschlich und gesellschaftlich Verheerende hinter einer

nach außen hin gutbürgerlichen Kulisse hervortritt. Die beiden Romane werden ausschließlich

aus literarischer Perspektive untersucht. Sie bilden wie alle belletristischen Werke keine

bloßen Abdrücke der Wirklichkeit, sondern fungieren als Kunstgebilde, denen eine eigene,

autonome Gesetzmäßigkeit zukommt. Dabei wird sich der Einzelanalyse insofern genähert,

als zum einen die allgemeinen Entstehungsbedingungen beider Romane im Jahrzehnt der

bipolaren Aufrüstung dargelegt werden. Zum andern werden Schnittmengen mit jeweils einer

anderen Prosaschrift desselben Autors und derselben Schaffensperiode aufgezeigt.

Alsdann folgt der Versuch, das aus der Linguistik stammende Verfahren der Thema-Rhema-

Struktur auf zwei repräsentative Textauszüge aus beiden Romanen zu applizieren. Es wird

ersichtlich, dass ungeachtet der stilistischen Differenzen die übergeordnete Thematik in

beiden Passagen allgegenwärtig zum Vorschein kommt. Den Hauptteil dieser Arbeit bilden

Abschnitte zur Einzelanalyse. Diesen vorangestellt werden theoretische Fluchtlinien, welche

von den Schriften Adornos, Horkheimers und Canettis ausgehen. Hier wird kein Exkurs in das

jeweils besprochene Werk geliefert, sondern die einzelnen Essays werden auf ihre

Aussagekraft mit Blick auf die beiden Romane hin befragt. Die zu Tage tretenden Parallelen

sind überzeugend. Daran anschließen werden Abschnitte, welche die Romane jeweils unter

besonderen Analysepunkten ausleuchten: Zur Sprache kommen u. a. kompositorische und

narrative Fragestellungen. Ferner wird sich in thematischer Hinsicht verstärkt mit der

Funktion des Mythos, mit der Intertextualität sowie mit den Geschlechterbeziehungen

beschäftigt. Abschnitte zur Raumsemantik und zur Rolle der Naturbeschreibung gehören

ebenso zum Hauptteil wie der abschließende Abschnitt mit Blick auf die Strategien zur

Konfliktlösung.

In all diesen Einzeluntersuchungen wird klar ersichtlich, dass Walser und Böll, um zur

eingangs gestellten Frage zurückzukommen, die bundesrepublikanische Wirklichkeit der

1980er Jahre kritisch hinterfragen. Gemeinsam ist beiden Werken ungeachtet ihrer

unterschiedlichen regionalen Einbettung das Aufzeigen von Beziehungsgeflechten, die das

Bonner bzw. das alemannische Biedermeier gründlich abschminken. Hinter der bröckelnden

Fassade werden dabei ein Netzwerk von Machtmissbrauch und Verbrechertum (Böll) bzw.

die Inszenierung einer Ehe und die Schattenseite der Ellenbogengesellschaft sichtbar.

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