Vorliegende Arbeit befragt zwei Romane der 1980er Jahre unter dem Gesichtspunkt einer
übergreifenden Thematik. Gesucht wird nach einer textnahen und stichhaltigen Antwort auf
die Ausgangsfrage, inwiefern Martin Walser mit „Brief an Lord Liszt“ bzw. Heinrich Böll
mit „Frauen vor Flusslandschaft“ zwei Prosawerke vorgelegt haben, in denen das
Abgründige, sprich das zwischenmenschlich und gesellschaftlich Verheerende hinter einer
nach außen hin gutbürgerlichen Kulisse hervortritt. Die beiden Romane werden ausschließlich
aus literarischer Perspektive untersucht. Sie bilden wie alle belletristischen Werke keine
bloßen Abdrücke der Wirklichkeit, sondern fungieren als Kunstgebilde, denen eine eigene,
autonome Gesetzmäßigkeit zukommt. Dabei wird sich der Einzelanalyse insofern genähert,
als zum einen die allgemeinen Entstehungsbedingungen beider Romane im Jahrzehnt der
bipolaren Aufrüstung dargelegt werden. Zum andern werden Schnittmengen mit jeweils einer
anderen Prosaschrift desselben Autors und derselben Schaffensperiode aufgezeigt.
Alsdann folgt der Versuch, das aus der Linguistik stammende Verfahren der Thema-Rhema-
Struktur auf zwei repräsentative Textauszüge aus beiden Romanen zu applizieren. Es wird
ersichtlich, dass ungeachtet der stilistischen Differenzen die übergeordnete Thematik in
beiden Passagen allgegenwärtig zum Vorschein kommt. Den Hauptteil dieser Arbeit bilden
Abschnitte zur Einzelanalyse. Diesen vorangestellt werden theoretische Fluchtlinien, welche
von den Schriften Adornos, Horkheimers und Canettis ausgehen. Hier wird kein Exkurs in das
jeweils besprochene Werk geliefert, sondern die einzelnen Essays werden auf ihre
Aussagekraft mit Blick auf die beiden Romane hin befragt. Die zu Tage tretenden Parallelen
sind überzeugend. Daran anschließen werden Abschnitte, welche die Romane jeweils unter
besonderen Analysepunkten ausleuchten: Zur Sprache kommen u. a. kompositorische und
narrative Fragestellungen. Ferner wird sich in thematischer Hinsicht verstärkt mit der
Funktion des Mythos, mit der Intertextualität sowie mit den Geschlechterbeziehungen
beschäftigt. Abschnitte zur Raumsemantik und zur Rolle der Naturbeschreibung gehören
ebenso zum Hauptteil wie der abschließende Abschnitt mit Blick auf die Strategien zur
Konfliktlösung.
In all diesen Einzeluntersuchungen wird klar ersichtlich, dass Walser und Böll, um zur
eingangs gestellten Frage zurückzukommen, die bundesrepublikanische Wirklichkeit der
1980er Jahre kritisch hinterfragen. Gemeinsam ist beiden Werken ungeachtet ihrer
unterschiedlichen regionalen Einbettung das Aufzeigen von Beziehungsgeflechten, die das
Bonner bzw. das alemannische Biedermeier gründlich abschminken. Hinter der bröckelnden
Fassade werden dabei ein Netzwerk von Machtmissbrauch und Verbrechertum (Böll) bzw.
die Inszenierung einer Ehe und die Schattenseite der Ellenbogengesellschaft sichtbar.