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lundi 8 décembre 2014 / Catégories: Langues, Allemand

„Im Anfang war die Welt poetisch.“ – Zur „Arbeit am Mythos“ in Peter Hacks´ olympischen Komödien „Amphitryon“ und „Omphale“

Alain Herman

In Auseinandersetzung mit den Klassikern der Mythostheorie wird im ersten analytischen Kapitel Hacks´ Mythosbegrifflichkeit herausgearbeitet. Peter Hacks hat auf seine eigene Weise den Mythos als sinnstiftendes und stabilisierendes Logos-Medium in der deutschen Literatur rehabilitiert. Er ist der Ansicht, dass es eine „schöpferische Ursprünglichkeit“ (H. Blumenberg) überhaupt nicht gibt, nicht mal geben muss: „Der dauernde Wert einer Mythe hängt nicht ab von ihrer ursprünglichen Bedeutung.“ Daher liefern die Mythen auch keine expliziten Welterklärungen, sondern werfen in erster Linie die großen Fragen auf. Der Mythos wird bei Hacks nicht als ontologisches Korrektiv (wie z.B. bei Blumenberg), sondern vielmehr als poetisiertes Modell einer durchaus zu verwirklichenden Seinsform aufgefasst. In den Jahrtausendfabeln sieht er teilweise den „Absolutismus der Wirklichkeit“ (H. Blumenberg) von Menschenhand zum „Reich der Freiheit“ (Karl Marx) sublimiert. Vier Kategorien bestimmen seine Mythosästhetik: „Anschaulichkeit“ prägt den Mythos (1); aus ihm kristallisiert sich historisch-materialistisch und ideell eine „Wirklichkeitstreue“ heraus (2); ihm ist „utopisches Potential“ inhärent (3); zwischen Mythos und Poesie besteht eine gewisse  Deckungsgleichheit (4). Im textanalytischen Teil, dem „Kernstück“ der Arbeit, werden die olympischen Komödien des Dramatikers, die sich zeitlich in die Hochphase des Hacksschen Schaffens situieren lassen, fokussiert: „Amphitryon“ (1967) und „Omphale“ (1969). Es wird untersucht, wie Peter Hacks die in seinen theoretischen Schriften zur so genannten sozialistischen Klassik evozierte „Artifizierungspoesie“ literarisch materialisiert. Das Metaphern- und Symbolgeflecht konstituiert, ja legitimiert sozusagen Hacks´ theoretisch fundiertes Poetisierungskonzept. Hacks´ „Arbeit am Mythos“ (Hans Blumenberg) findet zuerst und zunächst  in den Dramen statt. Im zweiten großen Abschnitt dieses Beitrags zur „Hacksologie“ wurde folglich eruiert, in welchem Maße der Schriftsteller die mythopoetischen Kategorien in seinen Komödien „Amphitryon“ und „Omphale“ dramaturgisch umsetzen konnte; inwieweit die Texte gegenüber der theoretischen Mythosästhetik eine diskursive Eigendynamik entwickeln. Hierbei wurde fünferlei augenscheinlich. Erstens: In beiden Dramen baut Hacks die größtenteils im Dunkeln liegenden mythischen Episoden – Jupiters Liebesnacht mit Alkmene, Herakles´ Transgender-Spiel mit Omphale – zu den Kernszenen aus, um die herum sich die Komödien-Handlungen grosso modo konstituieren. Es handelt sich um hermetische Spiele im Spiel – im „Amphitryon“-Drama werden die metatheatralischen Aspekte besonders offensichtlich –, in denen die Kategorie des utopischen Potentials als „freies Spiel der glücklichen Möglichkeiten“ zur Entfaltung kommt. Zweitens: Der (patriarchalische) Herrschaftsdiskurs wird durch den transzendierenden Liebesdiskurs dekonstruiert, was zu einer emanzipativen Verselbstung und Entgrenzung der Protagonisten führt (Alkmene, Herakles, Omphale). Temporär lösen sie sich von ihrer entfremdeten Umwelt, dem „Reich der  Notwendigkeit“, und blicken nach Utopia, dem „Reich der Freiheit“. Drittens: Peter Hacks hat den Anspruch, die „Totalität der Bewegung“ (Georg Lukács) in der Nussschale einer Komödie zu präsentieren, aus diesem Grund müssen die performativen Spiele im Spiel sich als episodisch erweisen. Letztere konkurrieren mit der restlichen Dramenwirklichkeit, so dass stets eine dialektische Spannung zwischen Ideal und Wirklichkeit, zwischen Mensch und Entelechie gewahrt bleibt. Viertens: Durch den performativsymbolischen Einsatz diverser Theaterrequisiten sowie Dekorationen wie zum Beispiel den Masken und der Nacht-Gardine im Stück „Amphitryon“ oder der Keule und dem Spinnrad im Einakter „Omphale“ gelang Hacks eine Poetisierung bzw. „Artifizierung“ der Dramenhandlung. Des Weiteren haben diese Elemente sowohl in rein dramaturgischer als auch in inhaltlicher Hinsicht vorausweisende und (meta-)kommentierende Funktion. Fünftens: Hacks´  dialektisch-performative Lustspiele sind nicht vollkommen gefeit vor aufklärerischem Erziehungssprechen, was an den  Schlussszenen der beiden Theaterstücke nachzuweisen ist. Dieses Faktum wirkt sich zudem etwas befremdend auf die Komik der Dramen aus.

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