Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Identitäts- und Rollenproblematik und den damit einhergehenden Einflüssen auf das alltägliche Leben der Protagonisten in drei ausgewählten Kurzgeschichten Bernhard Schlinks. Das „Problem”, das sich den Figuren stellt, ist nicht primär die Tatsache, dass sie sich identitätstechnisch verändern, Rollen annehmen und ablegen, da dies ein gängiges Vorgehen des Menschen ist. Schwierigkeiten werden eher durch die Unsicherheit hervorgerufen, die die Veränderungen und Rollenkonflikte bei Schlinks Protagonisten auslöst und die sie in die Lüge und Selbstlüge treibt, um sie dann am Ende in einem Zustand der Orientierungslosigkeit und Identitätsdiffusion zurückzulassen.
Schlink erzählt von Menschen im Spannungsfeld zwischen nüchternem Alltag und Illusion, zwischen Selbstbild und Fremdbild bzw. Vorurteil. Die Lebenssituationen der Figuren sind realitätsnah, die Denkweisen der Menschen meist authentisch, wenn auch gelegentlich etwas überzeichnet. Das jeweils offene Ende lässt dem Leser Interpretations- und ‒ gepaart mit den Charakterschwächen der Figuren ‒ Identifikationsspielraum. Die Fragen, die immer wieder auftauchen und aufeinander einwirken sind: Wer bin ich? Bin ich wirklich derjenige, der ich vorgebe zu sein? Wie sehen andere mich? Wie will ich von anderen gesehen werden? Bin ich wirklich noch ich? Wen machen andere aus mir? Bin ich so, wie ich sein will? Wen mache ich aus anderen Personen?
Diesen Fragen müssen sich die in dieser Arbeit beschriebenen Figuren stellen, während sie mit großer Intensität und getrieben von Illusionen und Hoffnungen an ihren Nächsten vorbeileben und immer wieder von der Realität eingeholt werden.
Diese Arbeit leistet zunächst theoretische Basisarbeit in den Bereichen der Identitäts-und Rollentheorie um dann mithilfe eines daraus resultierenden Analyseschemas die Protagonisten der drei Kurzgeschichten „Die Beschneidung“, „Nachsaison“ und „Das Haus im Wald“ textnah vor dem Hintergrund der Identitäts- und Rollenproblematik zu untersuchen.