Zunächst soll in der Arbeit aufgezeigt werden, wie sich Recht und Moral zueinander verhalten und welchen Einfluss die Religion auf die Rechtslehre hatte. Dabei soll erarbeitet werden, wie sich der Rechtsbegriff von der Antike bis hin zur Aufklärung entwickelt hat. Nachdem die Hauptpfeiler der Definitionen von Recht erläutert wurden, soll in einem weiteren Schritt verglichen werden, auf welche Art und Weise die gewählten Autoren ihr Empfinden von Gerechtigkeit in den jeweiligen Werken verarbeitet haben. Ein weiteres Ziel ist das Aufzeigen der Kohärenz zwischen den literarischen Werken und den historischen Kontexten. Schließlich soll die Frage beantwortet werden, inwiefern sich die Idee von Recht und Gerechtigkeit während der vier Jahrhunderte gewandelt hat.
In einer ersten Phase werden Definitionen erläutert, um die Entwicklung des Rechtsbegriffes aufzeigen zu können. Ausgehend von Aristoteles‘ Unterscheidung von Natur- und Gesetzesrecht, über Thomas von Aquins Naturgesetz, John Lockes und Thomas Hobbes Definitionen von Recht und Gesellschaftsvertrag, bis hin zu Kants kategorischem Imperativ soll die geschichtliche Entwicklung kurz aufgezeigt werden. Begriffe wie positives Recht, Moral und Gesellschaftsvertrag sollen erklärt werden. Ferner wird eine Definition der Idee der Gerechtigkeit anhand ausgewählter Theorien gegeben und die poetische Gerechtigkeit wird in ihren Grundzügen erklärt, um so, falls vorhanden, den kausalen Zusammenhang zwischen Schuld und Strafe in den verschiedenen Texten aufzeigen zu können. Anschließend wird anhand des Schauspiels „Götz von Berlichingen", der Novellen „Michael Kohlhaas" und „Judenbuche" sowie der Romane „Der Richter und sein Henker", „Der Vorleser" und „Der Fall Collini" erarbeitet, wie die jeweiligen Autoren zu ihrer Zeit die Idee von Gerechtigkeit und das damalige Recht im jeweiligen Text darstellten und inwiefern sich die Auffassungen voneinander differenzieren. Um den Wandel in der Gesellschaft nachvollziehen zu können, werden die Werke chronologisch behandelt. Ob und inwiefern die Gattung Einfluss darauf hat, wie die Relation von Recht und Gerechtigkeit dargestellt wird, soll in einem weiteren Schritt erörtert werden.
Die Ergebnisse der Arbeit sollen aufzeigen, dass aufgrund der Weiterentwicklung des Rechtsbegriffes durch Einführung neuer Gesetze und das Verfassen philosophischer Schriften die Autoren unterschiedlich mit den Begriffen Recht und Gerechtigkeit umgehen. Während Goethes Protagonist ein tragisches Ende nimmt und die Gerechtigkeit in der Welt in Frage stellt, setzt Anette von Droste-Hülshoffs auf eine metaphysische Gerechtigkeit. Heinrich von Kleists Michael Kohlhaas zeigt dem Leser die Entwicklung der Rechtsauffassung vom Mittelalter bis zur Aufklärung auf, indem er den aufklärerischen Gedanken vertritt und Selbstjustiz ausübt, um das ihm zugestoßene Unrecht zu vergelten. Dürrenmatts Kommissär Bärlach versucht Gerechtigkeit zu erlangen, indem er den legalen und kriminalistischen Weg umgeht und so indirekt Selbstjustiz verübt. Ein neues Problem wird anhand von Bernard Schlinks „Der Vorleser" und Ferdinand von Schirachs „Der Fall Collini" aufgezeigt. Ähnlich wie bei Michael Kohlhaas wird das Recht des Staates in Frage gestellt und die Frage aufgeworfen, inwiefern ein Individuum sich den Gesetzen des Staates unterwerfen muss, wenn die Moral und das Gewissen den geltenden Gesetzen widersprechen.