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mercredi 4 juin 2014 / Catégories: Langues, Allemand

Perspektiven des Biographischen - Die Trilogie „Der Gymnasiast, Semester der verlorenen Zeit, Mannesjahre“ als Entwicklungsepik des sorbischen Schriftstellers Jurij Brězan

Betty Holtzem

Die Sprache ist ein wichtiger Bestandteil in der Entwicklung eines Menschen. Im Kapitel „Heteroglossia" wird daher näher auf die sprachlichen Formen eingegangen werden. Jurij Brězan ist der erste sorbische Autor, der seine Werke in sorbischer und in deutscher Sprache veröffentlicht. Die eingehendere Analyse wird sich allerdings auf die deutsche Fassung beschränken. Es wird deutlich, dass der Autor nur wenige fremdsprachige Wörter benutzt, diese verweisen auf den dargestellten sorbischen Kulturkreis, der sich in sein europäisches Umfeld einfügt. Daneben werden die sprachlichen Äußerungen einiger Figuren dieser Trilogie näher beleuchtet werden. Hierbei fällt auf, dass der Autor seine literarischen Figuren jeweils durch eigene Ausdrucksweisen und durch sprachliche Eigenschaften näher charakterisiert.

Im Kapitel „Chronotopos" werden der Raum und die Zeit, in denen sich die Handlung dieser Trilogie abspielt, analysiert. Für die menschliche Entwicklung sind diese zwei Aspekte von Bedeutung. Der zeitliche Rahmen der Trilogie erstreckt sich vom Ersten Weltkrieg bis in die Aufbau- und Konsolidierungsphase der DDR in den 60er Jahren. Auch die literarischen Vorgaben, welche den Autor wahrscheinlich beeinflussten, werden berücksichtigt werden. Es fällt auf, dass der Autor sich in vielen Punkten vom sozialistischen Realismus, der für diese Zeit prägend war, leiten lässt. So verwundert es nicht, dass es sich bei der Trilogie um einen Entwicklungsroman handelt, der im dritten Band zu einem Gesellschaftsroman wird. Die menschliche Entwicklung des Protagonisten Felix Hanusch in den Zwischenkriegsjahren, im Zweiten Weltkrieg und in der sich neu bildenden DDR ist das zentrale Thema.

Allerdings werden auch einige kritische Ansätze gegenüber den damaligen politischen und literarischen Vorgaben fassbar, die zeigen, dass der Autor sich nicht nur blind von der sozialistischen Leitung vereinnahmen ließ. In seiner Trilogie stellt er allerdings keine Figuren aus dem Bürgertum in den Vordergrund, sondern Angehörige der slawischen Minderheit, der er selbst angehört. Auf die Idee, seine sorbische Wirklichkeit literarisch verarbeiten zu können, kam er durch die Rezeption der Werke des russischen Autors Maksim Gor’kij. Die Lebenswelt der Sorben, die sich Brězans Empfinden nach sehr von den literarisch dargestellten Wirklichkeiten, die er vor Gor’kij gelesen hatte, unterschieden, rückt er in den Zentrum dieser Trilogie.

Räumlich bewegt sich der Protagonist Felix Hanusch anfangs in dem Spannungsfeld Dorf – Stadt. In seiner Entwicklung von Gymnasiasten zum Mann wird er unter anderem auch durch die unstabilen Verhältnisse zu einer Irrfahrt durch Deutschland, die sich bis in die Ukraine erstreckt, gezwungen. In einer politisch unstabilen Zeit, in der man sich scheinbar zwischen zwei Lagern entscheiden muss, findet Felix für sich keinen Lebensraum, da er nach einem dritten Weg sucht. Nach zwei Grenzerfahrungen kann er schließlich doch in seinem Heimatdorf sesshaft werden.

Zeitlich und räumlich lässt der Autor die Handlung und die Entwicklung seines Protagonisten in seinem heimatlichen Umfeld spielen.

In der Kategorie Dialogizität wird das Werk unter anderem auf intertextuelle und allgemein gesellschaftliche Diskurse hin untersucht. Neben den Bezügen der Figuren aufeinander innerhalb der Trilogie, gibt es Verweise auf andere literarische Werke, auf realpolitische Gegebenheiten und gesellschaftliche Befindlichkeiten. Es erweist sich, dass die dargestellten Verhältnisse für den Leser der damaligen Zeit eine hohe Identifikationsmöglichkeit boten; dies ist heute so nicht mehr der Fall. Die Untersuchung des Verhältnisses Autor-Held zeigt, dass Brězan neben den räumlichen, zeitlichen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen, in denen er aufgewachsen ist, in der literarischen Darstellung seines Helden auch viele persönliche Erfahrungen verarbeitet. Außerdem wird sichtbar, dass der Autor in seinem Werk Bezüge auf andere deutsche und europäische literarische Werke herstellt, die auf seine Kenntnis der europäischen Literatur verweisen. 6

Im Kapitel Polyphonie wird untersucht, ob in Brězans Werk eine Vielstimmigkeit fassbar ist. Die einzelnen literarischen Figuren sind leider nicht so ausführlich dargestellt, dass man als Leser ihnen eine eigene, von der Autorenstimme unabhängige Meinung zuordnen könnte. Obwohl im dritten Band neben Felix Hanusch, der in den zwei ersten Bänden klar die zentrale Hauptfigur war, weitere Figuren in den Vordergrund rücken, kann man aber von keiner Vielstimmigkeit sprechen. Die Figuren erscheinen als zu schablonenhaft, als dass sie der Leser in einem polyphonen Sinne als eigenständig wahrnehmen könnte.

Die Analyse verschiedener Perspektiven des Biographischen verweist darauf, dass Jurij Brězan in seiner Trilogie einige autobiographische Elemente verarbeitet und seine eigene Heimat, die einer deutschen Leserschaft zuvor literarisch noch nicht zugänglich war, zur zentralen Thematik seiner Trilogie macht. Als Angehöriger einer kleinen slawischen Minderheit versucht er so literarisch Brücken zu schlagen.

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