Die vorliegende Arbeit befasst sich mit ausgewählten Werken von Guy Helminger. Analysiert werden die beiden Sammelbände Rost und Etwas fehlt immer hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zur Gattung der Kurzgeschichte. Da eine vollständige Untersuchung aller in der Literaturgeschichte bekannten Spezifika den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, wird sich auf wenige, allerdings signifikante Eigenschaften konzentriert. Dazu gehört unter anderem die Länge, die es ermöglicht, die Erzählung in einem Zug zu lesen. Ferner stehen die Figuren, ihre Anzahl, ihre Konstellation zueinander und symptomatische oder untypische Charaktereigenschaften im Fokus. Auf die Alltäglichkeit der beschriebenen Begebenheiten, die aufgrund der verwendeten sprachlichen Mittel oder bizarrer Vorgänge aufrütteln, wird im Übrigen Bezug genommen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass beide Bände maßgeblich den im ersten Kapitel dargelegten Kriterien entsprechen, obwohl sich bei Etwas fehlt immer der Untertitel „Erzählungen“ findet. Darüber hinaus werden die Lichtmetaphern behandelt, die als charakteristisch für den Stil des Autors aufgefasst werden können. Dem Licht kommt in den beiden Sammelbänden, überwiegend aber in Etwas fehlt immer, eine Vorrangstellung zu, es ist personifiziert und lässt sich nahezu als Hauptfigur bezeichnen. Des Weiteren wird aufgezeigt, dass es in Helmingers Werken nicht die positiven Konnotationen hat, die allgemein in der Literaturgeschichte dominieren, sondern eher die unheilschwangere Atmosphäre anheizt, indem es im Verborgenen lauert, aggressiv agiert oder sich über eine ganze Stadt hermacht. Anschließend werden mehrere formale und stilistische Elemente beleuchtet, durch deren Anwendung es Helminger gelingt, diesen „Einbruch des Fremden in das Vertraute“ zu erzeugen. Hier können die Gewaltverbrechen vorgebracht werden, die oft aus heiterem Himmel erfolgen. In Verbindung mit plötzlichen Wendungen rufen sie Fassungslosigkeit beim Leser hervor. Die gespenstische Atmosphäre verursachen besonders die Protagonisten, die sich oftmals als brutale Täter erweisen, sich anderen Ariane Rick TRAVAIL DE CANDIDATURE 2014 5 gegenüber feindselig verhalten, den Leser an ihrer Verzweiflung und Einsamkeit teilhaben lassen, sich „anormal“ benehmen, „schlechte“ Gepflogenheiten ihr Eigen nennen oder einfach „verrückt“ sind. Manche von ihnen besitzen eine blühende Fantasie, deren Auswüchse den Leser gruseln. Vieles bleibt bei Helminger im Dunkeln. Scheinbar belanglose, aber nachhallende Andeutungen lösen Bestürzung aus. Schließlich ist es der unverkennbare Schreibstil, der dem Unheimlichen Tür und Tor öffnet. Die Figuren erwecken den Eindruck, sich nicht unter Kontrolle zu haben. Durch Vergleiche mit unbelebten Gegenständen verlieren sie einen Teil ihrer Menschlichkeit. Die Personifizierung von unbeseelten Dingen verstärkt diesen Aspekt. Zusätzlich wechseln sich realistische Beschreibungen von grausigen Geschehnissen mit poetischen Momenten ab, wobei das Verhältnis auf den ersten Blick nicht stimmig ist. Abschließend kann man feststellen, dass die gewählte Gattung, die verwendeten Sprachmuster und die Inhalte ein surreales-alptraumhaftes Klima schaffen, in der das Unbekannte seinen Weg in das Gewohnte findet.